Gegensätze sollen sich angeblich anziehen. „Bei uns war es umgekehrt!“, sagt sie. Und er bestätigt: „Es war eine glückliche Fügung!“ Gemeinsam lieben sie nicht nur sich, sondern auch Literatur und Musik: Hildegard und Georg Piehler,
die am 4. Februar ihr 65. Ehejubiläum begehen können, die sogenannte „Eiserne Hochzeit“. In ihrem Haus in der Bischofsheimer Gutenbergstraße freuen sie sich über die Besuche der beiden Töchter mit deren Familie, zu der mittlerweile vier Enkel und zwei Urenkel zählen. Hildegard Piehler wird demnächst 87 Jahre alt, ihr Mann im Sommer 88.
Georg Ekkehard Piehler stammt aus Mainz, musste aber wegen der beruflichen Verpflichtungen des Vaters ständige Ortswechsel mitmachen. Wegen einer Lehrerstelle ging es zunächst nach Offenbach, dann noch im Zweiten Weltkrieg nach Jouy bei Metz, „um im besetzten Frankreich Deutsch zu lehren.“ In Ulrichstein im Vogelsberg unterrichtete der Vater alle Schüler des Dorfes in einer Klasse und da er auch des Englischen mächtig war, wurde er nach der Befreiung durch die amerikanische Armee zum Bürgermeister bestimmt. Über Mörfelden kam die Familie nach Nauheim und dort traf er auf Hildegard Vogel.
Nach der „Damenwahl“ wurde geheiratet
Sie erinnern sich beide an ein zunächst nachbarschaftliches Verhältnis, bis es dann bei einem Maskenball ernst wurde. „Es war Damenwahl“ und 1960 wurde geheiratet. Hildegard Piehlers Mutter stammt aus Bischofsheim. Dort fanden die frisch Vermählten ihre neue Heimat. Sie zeigt mir am Wohnzimmertisch ein Dokument aus ihrer Kindheit: ein letzter Brief ihres Vaters aus Russland, datiert vom 20. Juni 1944, der nach dem Zweiten Weltkrieg als „vermisst“ galt.
Fünfzig Jahre danach begaben sich Hildegard und Georg Piehler auf Spurensuche nach Witebsk in Belarus, fanden Gräber der 546. Infanteriedivision der deutschen Wehrmacht, die von Adolf Hitler den persönlichen Befehl erhielt „bis zum letzten Mann zu kämpfen“. Im Geburtsort von Marc Chagall hatten sie bei ihrem Besuch viele Begegnungen mit freundlichen Menschen. Und vermittelten ein Konzert des städtischen Kammerchors in der Stephanskirche zu Mainz, deren Fenster vom russischen Künstler gestaltet wurden. Diese und andere Geschichten ihres Lebens hat Hildegard Piehler in einem „Schatzkästlein der Erinnerung“ aufgeschrieben.
Mit dem Wohnwagen durch Europa
Georg Piehler ist gelernter Drogist, war Laborant bei den Chemischen Werken Albert und 35 Jahre lang bei der Firma „Glanzstoff“ in Kelsterbach für die Färbung von Rayon-Fäden verantwortlich. Hildegard Piehler war „Bürogehilfinanlernling“ bei Opel und ärgert sich noch heute über die despektierliche Formulierung. Weltoffenheit habe ihr ganzes Leben geprägt. Sie waren gerne unterwegs, „wegen des knappen Geldes nur mit einem Zwei-Mann-Zelt, dann mit dem Wohnwagen“ durch Europa. In ihr Wochenendhaus am Donnersberg flüchteten sie oft wegen des Fluglärms.
Und dann reden wir zu dritt wild durcheinander, über unsere gemeinsamen Erlebnisse im Widerstand gegen den Bau der Startbahn-West, über einen Gottesdienst mit Pfarrer Kurt Oeser in der Holzkirche im Hüttendorf, über die Demonstrationen und die Telefonkette der Bürgerinitiative. Ein Ereignis habe sie als Augenzeugin besonders geprägt, nämlich den Einsatz von Provokateuren, die offensichtlich Bürger ermuntern sollten, mit Steinen und Ästen gegen die Baustelle vorzugehen und dann in Mannschaftsbussen der Polizei davonfuhren. Im Radio hieß es: „Und wieder kam es zu schweren Zusammenstößen.“ Ungerechtigkeit treibt beide nach wie vor um.
Professor Dr. Wolfgang Schneider
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