„Man kann doch nicht alles in Wohnraum umwandeln“

Inge und Reinhard Tschetschel über die Bischofsheimer Traditionsgastronomie in der Rheinstraße 2

Bischofsheim ist der einzige Ort im Rhein-Main-Gebiet, in dem eine „Rheinstraße“ in eine „Mainstraße“ mündet. Genau an dieser Stelle eröffnete der Uropa von Inge Tschetschel im Jahr 1908 das „Gasthaus zum Rheinischen Hof“. Neun Gastronomen bewirtschafteten dort seitdem die Bischofsheimer. Heute – rund 125 Jahre später – suchen die Eigentümer des Gebäudes einen neuen Pächter, der die Tradition fortsetzt. 

„Ich kenne das Haus nur als Wirtschaft“, erinnert sich Inge, die davon überzeugt ist, dass der Bedarf einer gepflegten Gastronomie in ihrer Heimatgemeinde vorhanden ist. „Das kernsanierte Haus eignet sich auch als Sprungbrett für jemanden, der sich selbstständig machen möchte“, visioniert ihr Mann Reinhard. Einig ist sich das Ehepaar auch, dass es um den Erhalt des ideellen Wertes geht. „Das Geld, das wir hier rein gesteckt haben, würden wir in unserem Leben nicht mehr zurück bekommen. Die Weiterführung einer Gastronomie in der Bischofsheimer Rheinstraße 2 ist uns eine Herzensangelegenheit“, so Inge und Reinhard Tschetschel. 

 

Das Restaurant »Meyers« und »Ulis Pub« sind den Menschen der Mainspitze vermutlich ein Begriff. Uli war der achte Pächter und bewirtschaftete das Eckhaus an der Stelle wo Rhein- und Mainstraße zusammenfließen für 36 Jahre. Im Anschluss sanierte Familie Tschetschel den Keller, den Gastraum, die Küche und die darüberliegende Wohnung von Grund auf. Auch die Außenfassade und den Hof gestalteten sie neu. Dabei achteten Inge und Reinhard darauf, das Gebäude einerseits den aktuellen Standarts anzupassen und auf der anderen Seite den Geist des Ortes zu erhalten. „Die Bodendielen der Wohnung sind von 1896, die Türschwellen zur Küche stammen aus der selben Zeit und aus dem Holz, welches ich auf dem Dachboden fand, baute ich Türen für die Schuppen im Hof“, erzählt Reinhard. Vor drei Jahren eröffnete »Meyers – Restaurant & Biergarten«. „Uns gefiel deren Konzept. Das junge Paar hatte gute Ideen, die Menüs kamen gut an und mit Afterwork im Sommer oder dem Glühweingarten zur Weihnachtszeit waren sie auf einem guten Weg“, denken Inge und Reinhard zurück, die die Meyers als Verpächter vorbildlich in der Coronazeit unterstützen. „Für uns war es Ehrensache, den Jungunternehmern zwischen Lockdowns und Lockerungen beiseite zu stehen. Vor wenigen Monaten schloss das »Meyers« aufgrund von Krankheit.

 

Bischofsheim lebendig halten

Das blaue Haus in der Rheinstraße ausschließlich in Wohnraum zu verwandeln, kommt für die Eigentümer nicht in Frage. „Es geht mir um die Familientradition und um Bischofsheim. Ich bedaure den Rückgang der gewerblichen Infrastuktur. Geschäfte und Gastronomie, die man zu Fuß erreichen kann, tragen dazu bei, dass dieser Ort liebens- und lebenswert bleibt“, betont Inge, die sich gastronomisch eine bodenständige Speisekarte gepaart mit qualitativ wertigen Produkten aus der Region als Konzept wünscht. Möglich wäre dies aufgrund der Sanierung allemal. Der Gewölbekeller bietet neben Lagermöglichkeiten, dem Zulieferungsfenster, der Zapfanlage und einem Kühlhaus eine hohe Aufenthaltsqualität. Im Gastraum mit Weinschrank und Bar wurden während des Umbaus zudem Kabel verlegt, die auch den Anschluss eines Videobeamers möglich machen. Die Gastronomieküche ist mit Bodenabläufen und technischer Ausstattung auf dem neuesten Stand und auch die Personaltoilette wurde kernsaniert.

 

Tradition

Das historische Foto zeigt das »Gasthaus zum Rheinischen Hof«, welches von Peter Müller (Uropa von Inge Tschetschel) erstmalig betrieben wurde. Bei den abgebildeten Damen handelt es sich um Inges Oma sowie ihre Geschwister. Kein Wunder, dass Inge Tschetschel eine besondere Verbindung zum Haus und zum Restaurant hat. „Gastronomie ist Genuss und Erlebnis zugleich“, sagt Inge. Auch wenn sie selbst nie als Gastronomin tätig war, ist sie sich bewusst, dass es nicht ausreicht, gut und gerne zu kochen, um Gäste nachhaltig zu begeistern. „Man braucht Fleiß, Kreativität und Durchhaltevermögen, um sich zu etablieren. Ich bin davon überzeugt, dass die Bischofsheimer dieses zu schätzen wissen werden“, erzählt Inge, die direkt um die Ecke (in der Mainstraße) als selbstständige Unternehmerin eine weitere Familientradition fortsetzt. Ihre Mutter Hilde etablierte dort das Bischofsheimer Fachgeschäft für Dessous, Wäsche und Bademoden, welches bis heute Kundinnen aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet anzieht.

 

Zurück zur Gastronomie: Das Ehepaar Tschetschel schaut nach vorne: „Einen Zeitdruck spüren wir nicht. Wir wollen eine gute und langfristige Entscheidung treffen und damit Mitverantwortung für die Ortsentwicklung übernehmen“, so Inge und Reinhard abschließend.

Axel S.



09.03.2023