Mehr Arbeitsraum?

Im Ginsheimer Rathaus können derzeit 37 Mitarbeiter gleichzeitg arbeiten. 

69 Arbeitsplätze stehen der Stadtverwaltung Ginsheim-Gustavsburg in den beiden Rathäusern zur Verfügung. Hinzu kommen Schreibtische im Jugendzentrum, den Kindergärten und den Bürgerbüros. Aktuell erweitert die Verwaltung ihren Arbeitsraum um die erste Etage der Villa Herrmann, in die eine Abteilung aus dem Gustavsburger Rathaus umzieht. Mit einem zukunftsfähigen Raumkonzept habe dies nichts zu tun, schreiben uns Leser, die in ihrem Beruf sogenanntes „Desksharing“ (dt. Schreibtisch-Teilen) erfahren. Dies sei Nachhaltig, spare viel Geld und fördere den Teamgeist. Sollte die Stadtverwaltung also umdenken?

 

„Wenn ich durch unsere Rathäuser laufe, sehe ich mindestens ein Drittel unbesetzter Arbeitsplätze“, berichtet eine Leserin. Wo sie selbst arbeitet, habe man schon lange mit dieser Verschwendung von Ressourcen aufgehört. Mit Laptop und Mobiltelefon ausgestattet dürfe sie arbeiten, wann und wo sie wolle. Einen Schreibtisch-Platz bekäme sie in ihrer Firma trotzdem jederzeit, obwohl das Unternehmen die Anzahl der Büroplätze in den letzten Jahren um 50 % reduzierte. „Die Umgewöhnung fiel mir leicht, die Freiheit trägt zu meiner Lebensbalance bei und ich treffe öfter neue Kollegen, als früher. Das gefällt mir“, schrieb sie der Redaktion. Eine Rückfrage bei der Stadtverwaltung ergibt, dass eine Reduzierung der Räumlichkeiten dort nicht geplant ist. „Der Raumbedarf ist aufgrund der zusätzlichen Aufgaben, welche die Kommune zu leisten hat, und aufgrund der dafür notwendigen zusätzlichen Stellen gestiegen. Dieser Trend wird sich fortsetzen“, antwortete die Pressestelle auf unsere Anfrage und begründet dies mit der ausgeschriebenen Stelle des Klimaschutz- und Katastrophenschutzmanagers. Zudem informiert die Stadtverwaltung darüber, dass, sofern keine Mitarbeiter krank sind oder Urlaub haben, zu den Erreichbarkeitszeiten alle Arbeitsplätze gleichzeitig genutzt werden und ein Teil der Arbeit im Home-Office abgeleistet werden dürfe. Wie viele Mitarbeitende davon Gebrauch machen, sei mit Zahlen nicht zu belegen. Räume in den Rathäusern halte man aber auch für zeitweilig im Home-Office beschäftigte Mitarbeitende vor.

Während meiner Recherchen sitze ich an meinem Schreibtisch, trinke Tee aus meinem Lieblingsteeglas und überlege mir, wie es wäre, auf mein vertrautes Umfeld zu verzichten. Dabei fällt mir ein, dass ich häufig arbeite, ohne hier zu sein. Zwei aus meinem Team (beide unter 20) treffe ich praktisch nie im Büro. Sie arbeiten – wie unsere Leserin – wann und wo sie wollen und sind dabei extrem zuverlässig.

32 Arbeitsplätze der Stadtverwaltung GiGu befinden sich im Gustavsburger Rathaus

 

New Work und Publikumsverkehr

Immer wieder erreichen die Redaktion Leser-Ideen, wie die Stadtverwaltung Geld sparen könnte. Dabei geht es oft um den Raumbedarf: „Die Arbeit so umzustrukturieren, dass sie (die Stadtverwatlung GiGu) nur mit dem Rathaus in Ginsheim auskommt, ist für eine träge Verwaltung wohl unmöglich“, schrieb uns jemand im Zeitraum der letzten Kommunalwahl. Das Ergebnis unserer Recherchen widerspricht dieser Vermutung. Sowohl Unternehmen als auch Verwaltungen experimentieren unter dem Titel „New Work“ mit einer veränderten Bürokultur. So wurde beispielsweise im Landratsamt Groß-Gerau ein entsprechender Bereich eingerichtet, der die Aufenthaltsqualität eines stylischen Cafés ausstrahlt und nicht an ein Büro erinnert. Fairerweise sei erwähnt, dass die Kreisverwaltung in den letzten Jahren stetig wuchs.

Zurück nach GiGu: Vieles, was die  Mitarbeiter der Stadtverwaltung für die Menschen in Ginsheim-Gustavsburg leisten, lebt vom persönlichen Kontakt. Kindergarten per Videokonferenz ist unmöglich, Heiraten am Automaten noch nicht erfunden und auch wenn Abwicklungen der Bürgerbüros immer digitaler werden, stellt diese Anlaufstelle mit persönlichen Ansprechpartnern die Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürger sicher – unabhängig von technischem Know How. Viele – von Publikumsverkehr unabhängige – Arbeiten benötigen aber tatsächlich weder einen gleichbleibenden Arbeitsplatz noch die Anwesenheit in einem Rathaus der Stadt. 

Kulturbüro zieht in Villa Herrmann

Bisher vermietete die Stadtverwaltung den ersten Stock der Villa Herrmann an die Inhaberin der Buchhandlung im Erdgeschoss. Statt die Räumlichkeiten erneut als Miet-objekt anzubieten, nutzt nun das städtische Kulturbüro den Platz für Kurse der Musikschule und um in abgetrennten Büros besser arbeiten zu können. Zuletzt teilten sich die Mitarbeiter unter anderem das ehemalige Bürgermeisterbüro im Gustavsburger Rathaus, was – zumindest im letzten Sommer – noch als Vorteil galt, denn es ist der einzige Verwaltungsraum mit Klimaanlage. „Die Arbeitssituation (...) war nicht optimal. Es herrschte ein reger »Durchgangsverkehr« von Mitarbeitenden, Servicekräften und Besucher:innen verschiedener Servicebereiche. Die noch kürzere Entfernung zu den Burg-Lichtspielen erleichtert die tägliche Arbeit des Kulturbüros“, begründete die Pressestelle auf unsere Rückfrage den Umzug. Auf welche Mieteinnahmen die Verwaltung verzichtet, teilte sie uns nicht mit. 

Im Gustavsburger Verwaltungsgebäude sorge der Wegzug des Kulturbüros für Entlastung in Hinblick auf die beengten Verhältnisse, betont die Stadtverwaltung: „Mit dem Umzug (...) entsteht (...) mehr Platz für weitere Büros für die Verwaltung, die dringend benötigt werden. Im Rathaus Gustavsburg kann nun auch ein barrierefreier, multifunktionaler Besprechungsraum eingerichtet werden. Dort können weniger mobile Bürger:innen unter anderem auch ihren Gesprächswunsch mit dem Bürgermeister in Gustavsburg realisieren“, so die Pressestelle.

 

Verwaltungsmitarbeiter äußerten anonym ihre Meinung. Während sich einige schnell mit dem Gedanken an flexible Arbeitsplätze anfreundeten, beschrieben andere das Bild ihres Schreibtischs mit persönlichen Gegenständen als einen Ort, mit dem sie sich identifizieren. Zum Schmunzeln brachte mich der Satz „von Freitagmittag bis Montagmorgen kann man beide Rathäuser aber auf jeden Fall vermieten.“ Die Spekulation, ob dies einen positiven Effekt auf die Stadtkasse haben würde, überlasse ich den Stadtverordneten.

Axel S.



20.04.2023