Auf dem unteren Klingelschild steht noch der Name „Horst“, hinter schmiedeeiserner Umzäunung und dank dichtem Baumbestand kaum einsehbar erhebt sich das Backsteingebäude, das zu Recht in Bischofsheim als Villa bekannt ist. Das Grundstück ist sehr groß und wird an der hinteren Ecke durch einen gemauerten Schornstein begrenzt. Hier wurde für unsere Gemeinde das elektrische Licht erfunden, von Wilhelm Horst, der vor mehr als 150 Jahren an der technischen Lehranstalt im sächsischen Mittweida als einer der ersten „Elektrotechnik“ studierte.
Wegen Kurzschluss eine Ohrfeige vom Onkel
Am 12. März 1899 sollte im Elternhaus des jungen Ingenieurs in der Spelzengasse am Tag einer Familienfeier erstmals „das neue Licht brennen“. Verleger und Neffe Adam Horst berichtet darüber 75 Jahre später in dem von ihm gegründeten „Lokal-Anzeiger“: „Doch es kam nicht dazu. Ein achtjähriger Bub – es war der Schreiber dieser Zeilen – machte sich an den Leitungsdrähten zu schaffen und im gleichen Augenblick schoss aus den Drähten an der Wohnzimmerdecke, an denen noch die Lampe fehlte, eine etwa 40 cm lange Flamme heraus.“ Es gab einen größeren Schaden und eine schallende Ohrfeige von Onkel Wilhelm. Und eine Verlegung der Premiere auf den nächsten Tag.
Auch Ingrid Horst weiß von den Geschichten um ihren Großvater, der ein umtriebiger Geschäftsmann war, wie überhaupt die Dynastie derer, die Horst heißen, das Gewerbe in Bischofsheim belebten. Angefangen hat alles mit einer sehr erfolgreichen Käserei, weiter ging es unter anderem mit einer Druckwerkstatt und einem Filmtheater. Dr. Jürgen Herrmann, Ehemann der Enkelin, hat Ahnenforschung bis zum Jahre 1711 betrieben und bei so viel Engagement all der Verwandtschaft mit Nachname Horst wird einem schwindelig. Nicht nur der Ortsgewerbeverein habe davon profitiert, sondern auch der Heimat- und Geschichtsverein sowie das Volksbildungswerk, das in guter Erinnerung von Ingrid Horst-Herrmann von ihrem Vater Richard geleitet wurde.
Strom für Straßenbeleuchtung
Im Gespräch erfahre ich auch von der Vielseitigkeit des Wilhelm Horst, der nicht nur zusammen mit dem ortsbekannten Architekten Jacob Ritzert die Villa konzipiert, sondern auch das Elektrizitätswerk mit den Dampfmaschinen und den Generatoren gebaut hat. Darüber hinaus befinden sich im Garten noch die Mahlsteine einer Schrotmühle. Auf der Fläche der Garagen war einst ein Bretterverschlag, in dem große Leuchter für Ballsäle gefertigt wurden, die viele Jahrzehnte auch im Saalbau Schad am Wasserturm Vereinsfeste und Kerwewochenenden erstrahlen ließen. Dank Wilhelm Horst wurde die Straßenbeleuchtung von Gas auf Strom umgestellt und die vielen Hundert Bischofsheimer Wohnhäuser elektrifiziert, was dem Unternehmer den Spitznamen „Elektrisch Horst“ einbrachte. 1912 wurde das E-Werk inklusive Netz zum Preis von 100.000 Goldmark an das Überlandwerk der Stadt Mainz und die „Rheinische Schuckert-Gesellschaft“ (später „Rheinelektra“) verkauft, da die Gemeinde unter Bürgermeister Wiesenecker offensichtlich nicht interessiert war.
Und dann will ich noch die Frage klären, wer denn nun eigentlich Namensgeber der Wilhelmstraße hinter der Villa wurde? Quellen dazu gibt es nicht, aber eine weitere Geschichte der Familie. Man habe Wilhelm Horst die Ehre erweisen wollen, die Sackgasse von der Ludwigstraße nach ihm zu benennen. Andererseits hat die Gemeinde dem Großherzog Ludwig zwischen Mainstraße und Altem Gerauer Weg eine Straße gewidmet. Und so könnte es auch sein, dass die Wilhelmstraße nach dem damaligen Kaiser Wilhelm benannt wurde.
Professor Dr. Wolfgang Schneider
Hinterlasse uns deine E-Mailadresse und wir senden dir eine Mail, wenn die neue Ausgabe der Zeitung erscheint.
Nächste Ausgabe » Do, 22.05.2025 | Anzeigenschluss » Fr, 16.05. (16 Uhr) | Redaktionsschluss » Mo, 19.05. (16 Uhr)
Erscheinungstermine 2025:
08.05.2025 | 22.05.2025 | 05.06.2025 | 19.06.2025 | 03.07.2025 | 14.08.2025 | 28.08.2025 | 11.09.2025 | 25.09.2025 | 09.10.2025 | 23.10.2025 | 06.11.2025 | 20.11.2025 | 04.12.2025 | 18.12.2025