Verlegung der ersten Stolpersteine

großes Interesse der Bevölkerung

Mit einer Gedenkfeier auf dem Platz „An der Eich“ startete am Freitag (12.05.) die Verlegung erster „Stolpersteine“ für Opfer des Nationalsozialismus in Ginsheim-Gustavsburg. Der Künstler, Gunter Demnig, war persönlich in die Stadt gekommen, um zunächst fünf Steine zur Erinnerung an jüdische Opfer, politisch Verfolgte und Opfer der Euthanasie-Morde in die Bürgersteige vor den Häusern der Opfer zu setzen. Mehr als 70 Menschen nahmen an der Auftaktveranstaltung teil. Neben Bürgermeister Thorsten Siehr begrüßte der Vorsitzender des Fördervereins Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau, Walter Ullrich, die Gäste. Stadtschreiber Hans-Benno Hauf stellte die von ihm selbst recherchierten Persönlichkeitsbilder der Opfer vor. Mit Gedichten zeichnete der Germanist Thomas Adamczak das Schicksal der Opfer nach. Ein Quartett des evangelischen Posaunenchors Ginsheim umrahmte die Feierstunde musikalisch. 

Der Künstler Gunter Demnig 

verlegt die ersten Stolpersteine

für die jüdischen Opfer 

Erna und Julius Israel Wiesenfeld.


„Mit der Verlegung der Stolpersteine wollen wir dazu beitragen, den Opfern der Diktatur im Nationalsozialismus ihre Würde zurückzugeben.“

Thorsten Siehr, Bürgermeister


Dass die Verlegung von Stolpersteinen erfolgen konnte, ist vor allem dem Stadtschreiber und zweiten Vorsitzenden des Heimat- und Verkehrsvereins, Hans-Benno Hauf, zu verdanken. „Hans Benno Hauf hat intensive Recherchen betrieben und dabei unermüdlichen Einsatz gezeigt“, sagte Bürgermeister Thorsten Siehr in seiner Rede. Aus dem umfangreichen Datenmaterial habe schließlich eine für die Erinnerungskultur tätige, interfraktionelle Arbeitsgruppe 14 Menschen ausgewählt, für die in der nächsten Zeit jeweils ein Stolperstein verlegt werden soll. An den Künstler, Gunter Demnig, gerichtet, fand Siehr anerkennende Worte für die Stolperstein-Initiative: „Sie haben mit den Stolpersteinen eine Gestaltungsweise gefunden, die den Opfern würdig ist und die Aufmerksamkeit weckt - nun auch bei uns“, so der Bürgermeister.  

Finanziert wurden die Stolpersteine von Spendern, die sich bereits im Vorfeld gefunden hatten. Der Heimat- und Verkehrsverein ist Pate für die jüdischen Opfer, Erna Wiesenfeld und Julius Israel Wiesenfeld. Die beiden Steine wurden in Ginsheim vor dem ehemaligen Haus in der Rheinstraße 37 in den Bürgersteig gesetzt. Spender der Steine für die politisch verfolgten Sozialdemokraten, Otto Wanner und Hans Rauch, ist der SPD-Ortsverein. Verlegt wurden die Steine in der Friedrich-Ebert-Straße 18 und Mainzer Straße 50. Für das Opfer der Euthanasie, Maria Frida Bremser geborene Ott, in der Mierendorffstraße 4 in Gustavsburg, finanzieren die Angehörigen den Stein.

Nach der Verlegung der Steine für Erna und Julius Israel Wiesenfeld, die parallel zur Gedenkfeier erfolgte, lud Thorsten Siehr alle Teilnehmenden ein, zu den anderen Orten mitzukommen, um auch dort die Opfer zu würdigen. Viele Menschen kamen der Einladung nach und fanden sich an den jeweiligen Häusern ein. Die Hauseigentümer und Angehörigen erwiesen sich als sehr kooperativ und waren gut auf die ankommenden Besucherinnen und Besucher vorbereitet. Die Nachkommen von Maria Frida Bremser hatten es sich zudem nicht nehmen lassen, die Gäste an der letzten Station zu Kaffee und Kuchen einzuladen. So hatten alle Mitgekommenen Gelegenheit miteinander ins Gespräch zu kommen und sich über die Schicksale auszutauschen.

 

Mit der Verlegungsaktion am Freitag ist das Projekt noch nicht beendet. Neun weitere Steine werden in der nächsten Zeit noch in Bürgersteige eingelassen. Gunter Demnig hat bereits angekündigt, dass er auch diese gerne selbst verlegen würde. Da der Künstler das ganze Jahr weltweit unterwegs ist, wird die nächste Aktion allerdings nicht vor dem nächsten Jahr stattfinden können.

Das Projekt Stolpersteine beruht auf einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung aus dem Jahr 2018. Die Recherchearbeiten von Christine Hartwig-Thürmer für die im letzten Jahr eingeweihte Gedenkstätte für ehemalige Zwangsarbeiter:innen „Im Rosengarten“ in Gustavsburg veranlasste die politischen Vertreter, den Anstoß für Nachforschungen zu weiteren Opfern der NS-Diktatur zu geben und diese mit einem Stolperstein zu würdigen.

 

Stadtverwaltung Ginsheim-Gustavsburg


Je tiefergehend die Recherchen, desto bedrückender die festgestellten Tatsachen menschlichen Leids durch eine perfide nationalsozialistische Ideologie. Dabei sind Schicksale aus Ginsheim-Gustavsburg teils nur oberflächlich bekannt, so der Mord an psychisch, geistig und körperlich behinderten Menschen. Oder das Grauen tut sich auf beim Besuch der Gedenkstätte Hadamar, während des Aktenstudiums im Bundesarchiv in Koblenz und den Berichten aus dem KZ Osthofen, dem KZ Dachau, dem KZ Ravensbrück oder den Heilanstalten Alzey und Eichberg. Auch 78 Jahre nach der Schreckensherrschaft ist es wichtig, zum Lesen der Stolpersteine sich symbolisch vor den Opfern zu verbeugen und die Mahnung wachzuhalten.

Hans-Benno Hauf, Stadtschreiber von Ginsheim-Gustavsburg


18.052023