Vom Lesen leben und beim Trommeln tanzen

Terry Keegan erinnert sich an acht Jahrzehnte für Freiheit, Frieden und Demokratie

Er fällt auf und ist dabei doch so bescheiden. Er macht Musik für sich und ermuntert gleichzeitig viele Menschen zum Mitmachen. Und er ist ein introvertierter Denker, versäumt aber keine Demonstration, wenn es um die Verteidigung der Demokratie geht: Terrence David Keegan. Die meisten nennen ihn Terry, „den mit der Wuschelfrisur“, wie es die Frankfurter Rundschau dereinst einmal formulierte. Damals behauptete der Straßenmusiker, die Hauptwache in der Mainmetropole sei sein Arbeitsplatz, trommelte mit Oberbürgermeister Walter Wallmann für einen guten Zweck und stichelt gegen den damals frisch gewählten Bundeskanzler Helmut Kohl: „Trotz Wende gebe es noch kein Gesetz, das Lachen in der Großstadt verbietet“.

Unter der Anzeige geht der Artikel weiter


Ein Amerikaner in Deutschland

Stolz zeigt er mir in der Wohnung im Haus seiner langjährigen Lebensgefährtin Rosi Schmidt seinen neuen „Aufenthaltsstatus“ für weitere zehn Jahre. Terry ist nämlich Amerikaner und in Deutschland nur „geduldet“. 1944 wurde er in Rochester im Staate New York geboren, machte 1962 in einer High School bei Nonnen das Abitur und studierte zunächst an einer Katholischen Universität. Eine Zäsur wird der Militärdienst beim Marine Corps. „Was ich da erlebt habe, ist ungeheuerlich!“ Nach vier Wochen hat er bewusst einen Befehl verweigert, wurde „separiert“ und als „untauglich“ entlassen. „Von da an galt für mich die Pflicht zum zivilen Ungehorsam!“ Er demonstrierte mit Martin Luther King gegen Rassismus, schloss sich der Studentenbewegung in Kalifornien an und agitierte gegen den Vietnam-Krieg.

 

Lebenslanges Studium der Philosophie

In den 1970er Jahren kommt Terry nach Europa, lebt in Paris mit den Kommunarden, in Frankfurt studiert er die deutsche Sprache beim „Häuserkampf“ und Philosophie im Hörsaal der Universität als „Liebe zur Weisheit“, wie die Übersetzung aus dem Altgriechischen lautet. Zurück in den USA schließt er die „Lehre vom Denken, Erkennen und Handeln“ mit dem Magister ab. Zwischen Rhein und Main wird er „sesshaft“, macht Theater und packt bei allen Gelegenheiten seine Kongas aus. „Gutes Trommelspiel spricht zu Körper und Kopf“, wird er in der Frankfurter Neuen Presse zitiert, „es macht uns wach“. 

 

Widerstand gestern gegen Bush, heute gegen Trump

Und er kann gut davon leben, live und mit dem Verkauf von Schallplatten und Kassetten. Jeden Tag lieferte er ein „Kästchen mit Kleingeld“ bei der Volksbank ab. Ansonsten pflegt er privat eher die Askese. Politisch ist er immer noch aktiv, „gestern gegen Bush, heute gegen Trump“, zuletzt bei einer Protestveranstaltung der amerikanischen Demokraten. Wir kennen und schätzen uns vom Widerstand gegen den Bau der Startbahn West und von Kundgebungen für Frieden und Freiheit. Sein „Arbeitszimmer“ zeugt auch von diesen Erinnerungen, überall Bücher, Fotos, Instrumente und zeigt schöpferische Werke des „Allrounders“: Malereien, selbstgemachte Keramik, eine Kachel zum Krieg in Gaza.

 

„Was soll ich tun, wenn du weit weg bist?“

Zum Abschied lässt er mich noch teilhaben an einer kleinen musikalischen Hommage. Terry Keegan sitzt im Sessel, nimmt seine Trompete und begleitet Bob Dylan (vom Band): „What will I do, when you are far away“. Ein Song wie ein Gedicht. „What’II I do with just a photograph, to tell my troubles to?” Auch dafür hat der Landsmann Dylan als Singer- und Songwriter und damit als erster Musiker den Nobelpreis für Literatur erhalten. „When I’m alone, with only dreams of you, that won’t come true, what’II do?“ Terry bläst verhalten, mit geschlossenen Augen, bei aller Unruhe des Textes, ganz bei sich im Hier und Jetzt und wahrscheinlich bei Rosi, der Liebe seines Lebens, die er in Bischofsheim gefunden hat. 

 

Professor Dr. Wolfgang Schneider


neuesausdermainspitze.de // 03.07.2025