Das Museum Bischofsheim feiert 25-jähriges Jubiläum

„Lokale Geschichte als lebendige Erzählung“ | Ein Interview mit Professor Dr. Wolfgang Schneider

Drei der fünf Vorstandsmitglieder des Heimat- und Geschichtsvereins vor dem Museum: Thomas Kordy, Mechthild Rühl, Professor Dr. Wolfgang Schneider (v.r.n.l.). Es fehlen coronabedingt Bernd Schiffler und Martin Stotz.

Das Museum Bischofsheim begeht demnächst sein 25-jähriges Jubiläum. Was weißt du von der Idee, die bei der Entstehung dahintersteckte?

 

Es waren die Gründerväter des Heimat- und Geschichtsvereins (HGV), die sich in der jungen Bundesrepublik Deutschland zusammenfanden, um über die Aufgaben der Heimatforschung nachzudenken. Im Gemeindearchiv habe ich einen Vortrag von Diplom-Ingenieur Heinrich Lanius gefunden, den er bei einer „Besprechung“ zur Gründung des Vereins gehalten hat und in dem er – auch im Namen des evangelischen Pfarrers Dr. Heinrich Steitz – „im Rahmen eines Gesamtplanes“ zur „Vertiefung der Heimatidee“ ausdrücklich die „Bergung von Geschichtsfunden und die Schaffung eines Heimatmuseums“ vorschlug.

 

Wie kam es Jahrzehnte später zur Realisierung des Projektes?

 

Auch hierzu gibt es Dokumente. Ich zitiere aus einer Ausgabe des Lokal-Anzeigers von 1986: „Auf Initiative der Bischofsheimer Jungsozialisten soll gegenüber der ev. Kirche, im Hause Darmstädter Straße 2, ein Heimat- und Geschichtsmuseum eingerichtet werden.“ Es folgte in der Tat ein Antrag der SPD-Fraktion in der Gemeindevertretung, der mit der absoluten Mehrheit der Sozialdemokraten angenommen wurde. Bürgermeister Berthold Döß nahm sich des Projektes an und zusammen mit einem Team um den damaligen Vorsitzenden des HGV, Uli Thon, konkretisierte sich die Initiative mit öffentlichen Mitteln. Es ging und geht um die lokale Geschichte als lebendige Erzählung.

 

Aus dem alten Rathaus wurde das neue Museum

 

So ganz unbeteiligt warst du offensichtlich nicht, sowohl was die Idee betrifft als auch die Auswahl des Objektes, das sich im Besitz deiner Verwandtschaft befand!

 

Das sogenannte alte Rathaus diente von 1649 bis 1874 auch als Schule, war von 1874 bis 1948 Bürgermeisterei und wurde von meinem Großonkel, ortsbekannt als Bauer Reith, der mit seiner Familie in der Hofreite neben an wohnte, 1962 von der Stadt Mainz käuflich erworben. 1970 wurde von ihm das „total verwahrloste Gebäude“ instandgesetzt, wie der Lokal-Anzeiger mit Foto berichtete. Es diente über viele Jahre als Wohnung für viele Familien. Als die hygienischen Verhältnisse nicht mehr zeitgemäß waren, stand das Haus erneut zur Disposition. Meine zunächst familiären Gespräche waren nicht so sehr erfolgreich, was den Kauf des alten Rathauses durch die Gemeinde betraf. „Enn Bauer verkeeft nix!“ formulierte „Onkel Ernst“ in bekannter Manier zwischen Bauernschläue und Chuzpe seine Haltung. So kam es immerhin zu einer Erbbaupacht für 99 Jahre, die später von seinem Sohn und Erben Günther übernommen wurde.

 

Die Idee war geboren, das Haus im Besitz der Gemeinde und wie ging es dann mit dem Museum kommunalpolitisch und konzeptionell weiter?

 

Im Haushalt 1990 wurden 800.000 DM eingestellt (gegen die Stimmen der Opposition von CDU, Galb und FDP), um das alte Rathaus von Grund auf zu renovieren, Fördermittel des Programms „Einfache Stadterneuerung“ des Landes Hessen in Höhe von 750.000 DM beantragt und bewilligt. Es dauerte jedoch noch Jahre von der Planung über die Ausschreibung und Vergabe der Bauarbeiten bis zu deren Realisierung, um die Odyssee der heimatkundlichen Ausstellung von den Gängen in der Theodor-Heuss-Schule über die Verlegung der Vitrinen ins neue Rathaus und zuletzt in die Gutenbergschule zu beenden. 1996 übergab Architekt Dieter Renth das sanierte Anwesen an die Gemeinde und die treuhänderisch das alte Rathaus in die Hände des HGV. Norbert Haus, damals Vorsitzender des Ortsgewerbevereins begrüßte die Initiative der Kommune und die Beschäftigung lokaler Handwerksbetriebe.

 

Ausstellungen zu Frühgeschichte, Eisenbahn und Landwirtschaft

 

Das unter Denkmalschutz stehen Fachwerkhaus musste sachgerecht erneuert werden, ist als geschichtsträchtiges Haus ein Blickfang mitten im Ort, sollte aber auch von Anfang an die Zugänglichkeit der Bevölkerung zur Geschichtsvermittlung möglich machen!

 

Das Haus an sich ist ja eine Art Museum; denn es zeigt auch die einstige Bauweise in Bischofsheim. Das neue Gebälk ist beispielsweise nach traditioneller Zimmermannsart mit Schlitz und Zapfen eingefügt worden. Innendrin konnten auf fast 300 Quadratmetern die Präsentationen gestaltet werden. Der alte Ratssaal ist mit einer Deckenbemalung versehen worden und dient als Veranstaltungsraum. Das Erdgeschoß zeigt die Vor- und Frühgeschichte des Ortes, im ersten Stock ist ein großer Raum der Eisenbahngeschichte gewidmet und unterm Dach erinnern viele Exponate auf die landwirtschaftliche Historie. Verdienste haben sich viele Ehrenamtliche erworben, beispielsweise Georg Böhm mit seinen Expertisen zur Bahn, Waldemar Bertsch, der die grafische Gestaltung und das Logo entwickelte. Die Heimat- und Kulturpfleger Peter Kolmar und Bernd Schiffler haben das Projekt hauptamtlich vorangebracht.

 

Und dann kam die Eröffnung zum Tag des offenen Denkmals Mitte September 1997. Was gibt es darüber zu berichten?

 

Nur ein Jahr nach der Wiederherstellung des alten Rathauses konnte das Museum feierlich als „Haus der Bischofsheimer Geschichte“ eingeweiht werden. Professor Dr. Ernst-Erich Metzner hielt im Festzelt hinter der Evangelischen Kirche einen Vortrag über den „Bischofsheimer Wald in der sogenannten Fünf-Dorf-Mark. Zum Namen und Alter der Untermainorte Bischofsheim, Seilfurt, Rüsselsheim, Raunheim und Flörsheim“, der Gesangverein Germania rahmte die Eröffnung musikalisch. „Ein Oldie-Abend der Extraklasse“ versprach die Gruppe Traudl mit Bernd Claas und Jutta Hillebrecht und „Dixieland vom Feinsten“ Sigi‘s Jazzmen aus der Nachbargemeinde. In den „Bischofsheimer Geschichtsblättern“ ist zudem nachzulesen, was sonst noch geboten wurde: „Präsentation einer mit Holzbefeuerung angetriebenen Dampfmaschine, die eine Dreschmaschine in Funktion setzt“ sowie eine „Vorführung von handwerklichen Tätigkeiten aus römischer Zeit des Geschichtsvereins Groß-Krotzenburg“. 

 

25 Jahre später, wiederum am Tag des offenen Denkmals soll das Jubiläum am 10. und 11. September gefeiert werden. Mit welchem Programm?

 

Am Samstag ist auf Einladung ein Festakt mit Grußworten und Gesprächen geplant, sonntags gibt es für alle Kaffee und Kuchen sowie Führungen durch die Sammlungen und entlang der Tafeln auf dem Ortsdamm. Ein besonderes Ereignis ist die Einweihung eines römischen Weihesteins im Hessenring. Nach dem schmerzlichen Verlust durch den Tod des langjährigen Vorstandssprechers des HGV, Volker Schütz, soll es dieses Mal keine Unterhaltungsmusik geben, aber im Sinne des Verstorbenen ein Weiterdenken von Sammlungsaufgabe und Ausstellungskonzeption, um das Museum als kulturelles Gedächtnis zukunftsfähig zu machen.

 

Auch darüber werden wir in „Neues aus der Mainspitze“ berichten, vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Gespräch führte Axel S. 

 

Professor Dr. Wolfgang Schneider ist Kulturwissenschaftler, seit fünfzig Jahren in der Kommunalpolitik engagiert, derzeit als Erster Beigeordneter sowie Vorsitzender der Kulturkommission, und ist Mitglied des Vorstandes des HGV.

 


25 Jahre Museum Bischofsheim

Das Programm im Rahmen der Tage des offenen Denkmals

 

Samstag, 10. September

Einweihung eines römischen Weihesteins am Hessenring

· 18 Uhr (auf Einladung) Festakt im Ratssaal

· Grußworte von Vorstandssprecherin Mechthild Rühl 

· Gemeindevertretervorsteher Rolf Maixner und 

· Bürgermeister Ingo Kalweit 

· Landrat Thomas Will

· Festvortrag von Professor Dr. Wolfgang Schneider zum Thema

· „Aufgaben und Ziele heimatkundlicher Forschungen“

· Heimat- und Kulturpfleger a.D. Bernd Schiffler im Gespräch mit dem 

· Ehrenvorsitzenden des HGV, Uli Thon

 

Sonntag, 11. September

14 bis 18 Uhr Kaffee und Kuchen

Führungen durch die Ausstellungen zu Frühgeschichte, Eisenbahn und Landwirtschaft | Führungen entlang der Tafeln auf dem Ortsdamm 

 




21.07.2022