Gemeinsam auf dem Tandem-Rad durchs Leben

Die Bischofsheimer Ruth und Günter Plaul feiern Gnadenhochzeit (und blieben im Herzen immer Mainzer :-)

Ruth brauchte 1952 die Unterschrift ihres Vaters, um Günter zum Mann zu nehmen. Ihr Papa unterschrieb widerwillig, denn er hielt seine Tochter, die damals gerade einmal 20 Jahre alt war, für zu jung, um den Mann für‘s Leben schon gefunden zu haben. Heute feiern Ruth und Günter Plaul in Bischofsheim ihren 70. Hochzeitstag.

 

Als „sportlich“ bezeichnen viele Menschen das Vorhaben, ein Leben lang mit einem Partner zusammen zu bleiben. In Bezug auf das Ehepaar Plaul könnten sie damit sogar recht haben. Ruth und Günter Plaul sind sportlich: Sportlich fair, sportlich aktiv und sportlich ambitioniert – und das nicht nur, weil sie heute im Alter von 90 und 94 Jahren immer noch im zweiten Stock ohne Aufzug wohnen.  

Ruth lernte Günter im Alter von 16 Jahren bei Mainz 05 kennen. Sie spielte Handball und der 20-jährige Günter Fußball. Vier Jahre später heirateten die beiden und entdeckten als gemeinsame Aktivität das Tandem-Fahren, was sinnbildlich für ihre Beziehung steht. Einen gemeinsamen Rhythmus finden, Rücksicht aufeinander nehmen und dem anderen Vertrauen, wenn er oder sie mal am Lenker sitzt – das alles trainierten Ruth und Günter so intensiv, dass sie es heute in Perfektion beherrschen. 

„Wir sind mit unserem Leben sehr zufrieden und dankbar für alles, was wir haben. Allerdings war es natürlich auch bei uns nicht immer einfach. Jeder Mensch erlebt auch mal Schicksalsschläge. In unserer Partnerschaft achten wir sehr aufeinander und bauen uns in solchen Situationen gegenseitig wieder auf“, erzählt Ruth, während sie liebevoll zu ihrem Mann schaut, der nickend ergänzt „wir haben uns immer geachtet, den Respekt voreinander hochgehalten und dem anderen seinen Freiraum gelassen“, so Günter.

 

Durch die Bahn nach Bischofsheim

Während Ruth eine Berufslaufbahn als Verwaltungsangestellte bei der Berufsgenossenschaft einschlug, entschied sich Günter 1948 für eine Lokführerlaufbahn. 1964 zog das Paar ins damalige Neubaugebiet nach Bischofsheim. „Als wir hier herzogen sagte ich »hier bleibe ich maximal drei Jahre«“, erinnert sich Ruth schmunzelnd, deren tiefe Verbundenheit zu Mainz bis heute besteht. „Ich wuchs direkt an der Stephanskirche auf und Günter in der heutigen Neustadt. Auch wenn wir seit 58 Jahren in der gleichen Wohnung in Bischofsheim wohnen, blieben wir Mainz im Herzen immer treu“, so die 90-Jährige strahlend.

 

Es geht immer wieder aufwärts

Als sehr besonders empfand ich im Interview, wie das Ehepaar über die gemeinsam erlebte Nachkriegszeit sprach. „Wir waren ausgebombt, wir hatten nichts zu essen und wir dachten »das wars«“, zählte Günter die Erinnerungen auf, bevor er seinen Finger und Kopf anhob und mit offenen Augen voller Überzeugung sagte: „Aber es kamen wieder gute Zeiten“. Es ist diese Mischung aus Realitätsbewusstsein, Lebenserfahrung und Optimismus, die den Charme der Eheleute Plaul ausmacht. 

 

Keine Langeweile

Auch wenn das Tandemfahren in Form von großen Radtouren der Vergangenheit angehört, treten Ruth und Günter Plaul noch gemeinsam in die Pedalen des Lebens. „Langeweile kennen wir nicht. Er kauft ein, ich koche, wir lesen viel und schauen uns gerne politische Sendungen an“, erzählt Ruth, bevor sie anfängt, von der Überraschungfahrt ihrer beiden Söhne zur Gnadenhochzeit zu schwärmen: „Wir fuhren nach St. Goar und in den Hunsrück mit Restaurant- und Cafébesuchen. Alles war organisiert und es gab überall Blumen“, freut sich Ruth Plaul. „Wir danken unseren Söhnen und unserer Familie für diesen wunderbaren Ausflug“, so das Paar. 

 

Für die Zukunft wünschen sich Ruth und Günter Plaul, dass sie noch lange zusammenbleiben und sich gegenseitig helfen können. „Ich habe nachgeschaut, die nächste Etappe sind 75 Jahre“, so Günter Plaul abschließend.

 

 

Axel S.



01.09.2022