Vertrieb von Sprudel und Held des Sports

Irmtraud und Herbert Raab feierten Diamantene Hochzeit

„Das Beste an Ginsem ist der Bus nach Bischem“, scherzt die Ehefrau und der Ehemann erinnert sich an einen folgenreichen Abend in der Turnhalle der Nachbargemeinde. „Ich war ein guter Tänzer“, sagt er und sie nickt dazu. 1964 war die Hochzeit von Irmtraud und Herbert Raab und bis heute sind beide bestens bekannt als langjährige Inhaber eines Getränkehandels in der Taunusstraße. Sie kommt aus dem Westerwald, lernte Fachverkäuferin bei Metzger Hauf in Ginsheim und war im Büro der MAN schon früh mit der Datenverarbeitung vertraut. „Hollerith“ hießen die gelben Lochkarten, benannt nach ihrem amerikanischen Erfinder, die den Beginn des digitalen Zeitalters einläuteten. Er lernte nach dem Besuch der Spelzengaß- und Gutenberg-Schule zunächst „beim Schlosser-Jakob“ und war dann 41 Jahre bei Opel Werkzeugmacher. Beide übernahmen nach dem Tod von Adam Raab 1974 den häuslichen Betrieb.

 

 


Mit einem Pony-Pferdchen von Haus zu Haus 

Mit einem kleinen Handwagen begann die Getränkehandlung ihre Versorgung der Bevölkerung, die sich bisher nur „Pumpenwasser“ leisten konnte. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt Adam Raab die erneute „Genehmigung zur Wiedereröffnung seines Mineralwasservertriebs (Chabeso, Limonade und Kohlensäure)“. Der Name Chabeso, ein damals populäres Getränk auf der Basis von Milchsäure, leitet sich von den Initialen des Chemieunternehmen „C.H. (a) Boehringer Sohn“ ab. Mit einem Pony-Pferdchen ging es von Haus zu Haus. „Und wenn der Vater müde war, machte er auf dem Kutschbock ein Nickerchen“, erzählt Sohn Herbert, „und der Gaul fuhr solange seine Runde, bis das Hoftor offen war und beide wohlbehalten nach Hause kamen.“

Irmtraud und Herbert Raab motorisierten das Unternehmen. Sie „stand ihren Mann“, er war nach der Schicht mit dabei; später auch die dritte Generation, mit Sohn Uwe.  Jeden Tag um 8 kam der LKW aus Bad Vilbel, von Montag bis Freitag wurde ein Viertel in Bischofsheim beliefert, samstags die Böckler-Siedlung. Die Produktpalette war vielfältig: Fecher-Bräu, Binding-Bier, Pfungstädter und Groß-Gerauer Union sowie „Äppelwoi vom Axthelm in Flörsheim“ und natürlich der Klassiker „Sprudel der Elisabethenquelle“. 2014 war dann aus Altersgründen leider Schluss.

 

Sammlung von Urkunden, Pokalen und Medaillen

Wir sitzen auf der Dachterrasse im Hinterhof: Vater, Mutter, Kind. Und alle drei erinnern sich auch an das sportliche Leben. Denn Herbert Raab war ein erfolgreicher Athlet in der Region: als Fußballer und als Ringer. „Guck emol“, sagt er zu mir und verweist auf sein Hörorgan, “ein Ringerohr!“ In der Tat sieht dieses – im wahrsten Sinne des Wortes – sehr angegriffen aus. Auf der Matte war er ein Held, als Mittelgewicht einer der Siegreichen beim AC 1906, früher im Saalbau, dann im Bürgerhaus, vor meist vielen Hundert Zuschauern. Später erhalte ich im Keller Einblick in eine umfangreiche Sammlung von Urkunden, Pokalen und Medaillen: Kreismeister, Bezirksmeister, Hessenmeister. 

Kegeln war eine gemeinsame Freizeitgestaltung, wöchentlich auf den sechs Bahnen im Kegler-Eck, aber auch beim „Sportkegeln“ in Kostheim und den Punktespielen der Mannschaft. Eine ganz andere Frage von mir bleibt dagegen unbeantwortet. Was hat es mit der Marmortafel auf sich, die dereinst das alte Häuschen mit einem abgewandelten Bibel-Spruch zierte? „Wer andere erniedrigt, erhöht nicht seinen Wert.“ Denn auf die Anrainer lassen Irmtraud und Herbert Raab nichts kommen: „Eine gute Nachbarschaft ist meist besser als die Verwandtschaft.“ Mit den beiden Kindern, deren Ehepartnern und den drei Enkeln feierte das Jubelpaar vor zwei Wochen ihre Diamantene Hochzeit im kleinen Kreis.

 

Professor Dr. Wolfgang Schneider