Der zweite Vorsitzende des HVV Hans-Benno Hauf (Herr in roter Jacke) und Bürgermeister
Thorsten Siehr (blaues Jacket) enthüllen das „Puddelgässje“ | Foto: Torsten Silz
Nach der „Froschkaut“, der „Milchgass“ und dem „Kuhgässje erhielt Gustavsburg letzte Woche seinen vierten, vom Volksmund überlieferten Straßennamen in Form eines Straßenzusatzschilds vom Heimat- und Verkehrsverein. Zwei Schilder mit der Aufschrift „Puddelgässje“ erinnern nun an den Weg, der sich in der Gustav-Adolf-Siedlung in der Wilhelm-Leuschner-Straße bei den Hausnummern 7 und 9 befindet.
Was vor 18 Jahren auf Initiative von Anwohnern in Ginsheim in der „Sandgass“ (Elisabethenstraße) begann, setzt der Heimat- und Verkehrsverein (kurz: HVV) in Kooperation mit der Stadtverwaltung Ginsheim-Gustavsburg fort. So kehren im Volksmund entstandene – und zum Teil immer noch gebräuchliche – Straßennamen in Form einer zusätzlichen Beschilderung zurück und bringen Heimatgeschichte auf die Straßen von GiGu.
Puddel
„Im Mainzer Wörterbuch von Karl Schramm aus dem Jahr 1957 ist vermerkt, dass der Puddel lautmalenden Ursprungs sei und schon seit 1240 bezeugt ist“, berichtet Hans-Benno Hauf (2. Vorsitzender des HVV), bevor er die zwei Bedeutungen des Begriffes erläutert: Zum einen bezeichnet man mit einem „Puddel“ den Fehlwurf beim Kegeln, wenn die Kugel in die Gasse rollt, zum anderen steht der Begriff für Mist-Jauche. Auf letzteres geht das Gustavsburger „Puddelgässje“ zurück. „In Gebieten ohne Kanalisation wurde früher das Fäkalien-Abwasser in Sickergruben geleitet, die von Zeit zu Zeit per Hand mit einem Schöpfeimer oder einer Pumpe geleert, abgefahren und entsorgt wurden. Ein solches Gebiet in Gustavsburg lag zwischen der heutigen Pestalozzistraße, der Wilhelm-Leuschner-Straße und der Gustav-Adolf-Straße. Die Verbindungswege zwischen den Grundstücken hatten keine Namen, der Volksmund nannte sie Puddelgässje“ so Hans-Benno Hauf.
Als Zeitzeugin erinnert sich die Gustavsburgerin Sophie Thämel (92 Jahre alt, sieht aber aus wie 70 und benutz Facebook als wäre sie 40) ans Puddelgässje und vor allem an den Geruch. Als Kind wohnte sie in der heutigen Wilhelm-Leuschner-Straße, die vor dem zweiten Weltkrieg noch „Hindenburgstraße“ hieß. „Also, es wurde aus den Abflusslöchern im Garten Puddel geschöpft und die Erdbeeren und Anneres gedüngt. Alles wuchs dann wie verrückt. Dazu wohnte im Haus vom Altbürgermeister die Gaasemutter mit ihrer Ziege, das verstärkte den Geruch noch“, erinnert sich Sophie Thämel.
Dass die Stadtverwaltung das Projekt nicht nur unterstützt, sondern den überlieferten Straßennamen einen hohen Stellenwert einräumt, merkt man nicht nur an dem mit Logo der Stadt gekennzeichneten Enthüllungssack, der eigens für diesen Zweck angeschafft wurde, sondern auch an den Worten des Bürgermeisters: „Ich finde es eine tolle Idee, die da aufgegriffen wurde und bin gespannt, welchen Straßen der Heimat- und Verkehrsverein innerhalb der nächsten Jahre Zusatzschilder widmet“, sagt Thorsten Siehr, dem das „Puddelgässje“ schon vorher ein Begriff war. „Ich wohne schon einige Zeit in der Gustav-Adolf-Siedlung. Durch die Anekdoten der älteren Nachbarn kenne ich auch die Geschichte um das »Puddelgässje«“, so der Bürgermeister.
Die Einweihung des nächsten Straßenzusatzschildes plant der Heimat- und Verkehrsverein für das Jahr 2023. Um welche Straße es sich handelt verrät der Verein noch nicht. „Was ich sagen kann, sie wird in Ginsheim sein und wir haben noch rund eine Hand voll Straßen im Petto“, so Hans-Benno Hauf abschließend.
Axel S.
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