Bücherei Bischofsheim feierte 30-jähriges Bestehen im Palazzo

Professor Schneider warnt vor rechtsextremer Kulturpolitik

Die Leiterin der Bücherei Bischofsheim war sichtlich stolz auf das Jubiläum und feierte ein ganzes Wochenende mit Literatur und Musik. Ute-Doris Pichler dankte der Gemeinde und den Leserinnen und Lesern. Bürgermeisterin Lisa Gößwein dankte den Mitarbeiterinnen (und dem bisher einzigen Mitarbeiter) mit Blumen. Lob gab es auch für ihren Stellvertreter im Amte, der sich von Anbeginn an um die Belange der Literaturvermittlung im Palazzo eingesetzt hat. Professor Dr. Wolfgang Schneider ließ es sich dann auch nicht nehmen, mit einer politischen Rede vor aufkommenden Gefahren durch rechtsextreme Kulturpolitik zu warnen. Wir dürfen aus seinem Beitrag hier zitieren:

(…) Es gibt rechtsextreme Kräfte in unserem Lande, die es auf die Freiheit der Kunst abgesehen haben. Wir feiern das Grundgesetz, aber Artikel 5 ist mehr denn je gefährdet. „Eine Zensur findet nicht statt“, heißt es da. Seit einigen Jahren werden aber auch öffentliche Büchereien immer häufiger zu Schauplätzen politischer Auseinandersetzungen. Der Zeitgeist globaler antidemokratischer Strömungen ist auch in deutschen Bibliotheken zu spüren. (…)

 

„Die AfD gefährdet die Freiheit von Kunst und Kultur“

Lassen Sie mich konkreter werden: Mit dem Erstarken der AfD, einer gesichert rechtsextremen Partei, vielfach vom Verfassungsschutz wegen rechtsradikaler Umtriebe unter Beobachtung, mit Wortführern, die man juristisch überprüft, faschistisch nennen darf, ist die Freiheit der Kultur in Deutschland gefährdet. Bei der Europawahl haben in Bischofsheim 616 Bürgerinnen und Bürger AFD gewählt. Und deshalb erlaube ich mir, kurz auf Programm und Praxis zur Kulturpolitik der sogenannten Alternativen für Deutschland einzugehen.

 

Die rechten Bedrohungsszenarien stützen sich nämlich auf AfD-Anträge in den Parlamenten, in denen vom „Kulturkampf“ die Rede ist, „gegen die Entsiffung des Kunstbetriebs“ und für eine „deutsche Leitkultur“.  Der Zeithistoriker Rolf-Ulrich Kunze schreibt dazu: „Der Kulturbegriff der NSDAP war rassistisch, autoritär und identitär. Und all diese Merkmale finden wir eins zu eins – in zeitgemäßer Form – auch bei der AfD.“ 

 

Die AfD setzt in der Kultur ausschließlich auf die – ich zitiere aus den Kulturprogrammen der Partei zu Landtagswahlen – „Pflege von Brauchtum und Heimatgefühl“, sie fordert mehr „Trachten, Sagen und Gedichte“ und spricht sich für „biodeutsche Orchester“ aus. In Sachen Literatur steht das Kulturverständnis der AfD in bedenklicher Nähe zur Tradition der Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten. 

 

„Wehret den Anfängen!“

Bevor man die wählt, sollten Mann und Frau nicht nur den populistischen Sprüchen folgen, sondern lesen, was die AfD in der Kulturlandschaft vorhat. Deshalb gilt es auch die Büchereien, und selbstverständlich die in Bischofsheim, zu schützen und zu fördern. So wie es auch in unserer hessischen Verfassung in Artikel 26 geschrieben steht: „Die Kultur genießt den Schutz und die Förderung des Staates, der Gemeinde und Gemeindeverbände“. In diesem Sinne: Wehret den Anfängen!

 


Von der Mainzer Republik zum deutschen Grundgesetz

Lieder zu Demokratie und Freiheit in der Bücherei

Vom Geist der Freiheit und von der Freiheit des Geistes war viel die Rede und von den Errungenschaften der Demokratie wie die Unantastbarkeit der Menschenwürde und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Bücherei Bischofsheim hatten die Opernsängerin Nora Weinand, der Kirchenmusiker Stefan Finkenauer und der Kulturwissenschaftler Professor Dr. Wolfgang Schneider ein musikalisch-literarisches Programm zusammengestellt, das großen Zuspruch fand, nachdenklich und auf unterhaltsame Weise Geschichte erlebbar machte.

 

Ein großer Bogen wurde von der Mainzer Republik im Jahre 1793 über die gescheiterte Revolution von 1848/49 und die Weimarer Verfassung von 1919 bis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland 1949 gespannt. Nora Weinand sang das „Bürgerlied“: „Auf Brüder auf, die Freiheit lacht, die Ketten sind entzwei, der Mainzer ist nun frei“. Sie intonierte das Couplet „Raus mit den Männern aus dem Reichstag“, das lustvoll die Männerlastigkeit der Politik anprangerte, und den Fastnachtschlager „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“, der als heimliche Hymne der Nachkriegszeit avancierte.

 

„Die Gedanken sind frei“ und „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“

Wolfgang Schneider erzählte von den „Meilensteine der deutschen Demokratiegeschichte“, vom Verfassungsentwurf der Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche im 19. und von der Weimarer Verfassung im 20. Jahrhundert und ermunterte das Publikum zum Mitsingen des revolutionären Textes „Trotz Alledem!“ von Ferdinand Freiligrath, dem in Bischofsheim eine Straße gewidmet ist, des Volksliedes „Die Gedanken sind frei“ von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, und des wohl meistgesungenen Arbeiterliedes „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“. 

Exemplare des Grundgesetzes wurden als Preise für richtige Antworten zu Fragen der deutschen Verfassung verschenkt und der kurzweilige Nachmittag endete mit der dritten Strophe der Nationalhymne und der „Europa-Hymne“, der „Ode an die Freiheit“, mit dem Text von Friedrich Schiller und nach der Komposition von Ludwig van Beethoven. Der Dank der Büchereileiterin Ute-Doris Pichler galt den Akteuren, insbesondere auch der stimmungsvollen musikalischen Begleitung am Piano durch Stefan Finkenauer.


neuesausdermainspitze.de // 10.10.2024