Nach dem Abitur sollte es in die weite Welt gehen. „Ich wollte sehen, was es sonst noch so gibt“, erzählt mir Ottmar Helm im Garten seines Elternhauses. Mit seinem Freund trimmte er einen alten Kastenwagen von der Post auf Tourentauglichkeit. Aber selbst der Verkäufer prophezeite ihnen: „Wenn ihr Glück habt, schafft ihr es grad bis München.“ Letztendlich kamen die beiden Jungs mit ihrem Mercedes bis nach Kathmandu, über Afghanistan, Pakistan und Indien. Im Iran erlebten die beiden Zwanzigjährigen 1978 die ersten Wochen nach dem Sturz des Schahs und Ottmar traf beim Geldumtausch in einem Hotel die Liebe seines Lebens. Elisabeth Johnson heißt sie, sitzt beim Gespräch hinter ihm und korrigiert ihn gelegentlich bei seinen Erinnerungen.
Viel Natur und wenig Menschen in Tasmanien
Seit 1982 sind Ottmar und Elisabeth verheiratet, trotz aller Widrigkeiten. Zunächst ging es aber mit reichlich Lebensmitteln aus der Heimat gemeinsam weiter im geräumigen Gefährt aus Deutschland mitten in die Hauptstadt Nepals, bevor sich ihre Wege wieder trennten. Denn sie musste zurück nach Hause und das lag nicht irgendwo in der Nähe, sondern im fernen Tasmanien auf dem Globus „Down Under“, wie es geografisch für „unterhalb des Äquators“ heißt. Die zum Staat Australien gehörende Insel liegt am östlichen Rand des Indischen Ozeans, also nicht so einfach mit der Bahn von Bischofsheim zu erreichen.
Die neue Beziehung wurde mit Briefen und am Telefon gepflegt, bevor das junge Paar sich endlich wiedersehen konnte. 24 Stunden 25 Minuten dauert ein Flug von Frankfurt in die Hauptstadt Hobart, und Ottmar Helm berichtet von „sehr viel Natur und ganz wenigen Menschen“. Flora und Fauna seien dort einzigartig. Der Wombat, ein Beutelbär, hat dort überlebt, der Tasmanische Teufel gilt als gefährliches Raubtier und die kleinen Wallabys stammen aus der Gattungsfamilie der Kängurus. Die Rückbesuche von Lis enden mit ihrem dritten Visum. Und die Behörde stellt sie vor die Alternative: „Sie müssen heiraten oder Deutschland verlassen.“
Endlich auch Staatsbürger von Australien
Derweil hat sich Ottmar Helm als Servicemanager bei einer Autovertretung ausbilden lassen und ein Studium als Berufsschullehrer erfolgreich abgeschlossen. Beste Voraussetzungen, die endgültige Entscheidung zu treffen: „Ich wandere aus!“ In Tasmanien hat er Karrieren in der Bergbauindustrie begleitet, Weiterbildungen für Meisterkurse im Baugewerbe angeboten und schließlich Arbeitsschutzkonzepte der Gewerkschaft umgesetzt. Mittlerweile hat er sein Arbeitsleben auf eine 3-Tage-Woche reduziert und kümmert sich um die Sicherheit eines großen Schulgebäudes. Die Familie, mit den beiden Töchtern Anna und Rosi, zog von einer Farm im „Outback“ in ein Haus am Meer. Und voller Stolz zeigt er mir seinen druckfrischen Pass: „Nach fast vier Jahrzehnten bin ich jetzt auch Staatsbürger von Australien!“
Immer wieder geht es aber auch zurück in die alte Heimat, zu Mutter und Schwester, zur Bischemer Kerb, bei der er auch Schulfreunde und Nachbarn wiedersehen kann. Besorgt äußert er sich über die Leerstände vieler Geschäfte und den expandierenden ruhenden Verkehr. Erfreut ist er aber über „die kleinen grünen Oasen hinter den Häusern“; denn das habe auch Tradition in der heimischen Schillerstraße, wo vieles wächst, was letztlich im Kochtopf landet. Er verabschiedet sich nach acht Wochen Urlaub, auch an der Mosel, im Odenwald und Bayern, mit dem Satz: „Wenn ich zurück bin, will ich endlich meinen Ruhestand organisieren.“
Professor Dr. Wolfgang Schneider
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