Am Freitagvormittag, Punkt 11 Uhr, öffneten sich die „Mauern“ des Kunst-Würfels – jenes besonderen Ortes, der aus vier von Graffiti-Künstlern gestalteten Betonwänden besteht – für eine Veranstaltung, die an diesem 3. Oktober nicht passender hätte sein können. „Wir wollen Einheit, Freiheit und Demokratie leben“, rief der Vorsitzende Volker Hartmann den zahlreichen Gästen zu und erinnerte damit an die Werte, für die einst die Berliner Mauer fiel.
Von Mauern und Menschen
Was einst trennte, verbindet hier: Wo Betonflächen Farbe tragen, stehen sie sinnbildlich für Austausch und Vielfalt – für Mauern, die nicht abgrenzen, sondern Kunst tragen, Gedanken sichtbar machen. „Wir möchten diesen Tag positiv besetzen, Demokratie hochhalten und verteidigen – gegen rechts und gegen die, die sie bedrohen, auch außerhalb Deutschlands“, betonte Volker. Im Mittelpunkt stehe Akzeptanz und Toleranz. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, zitierte er eindringlich das Grundgesetz.
Demokratie zum Anfassen – und zum Schmecken
Mit rockigen Klängen der Frankfurter Band „dEFFtig“, die Klassiker von Udo Lindenberg bis Herbert Grönemeyer spielten, wurde der Platz vor dem Kunst-Würfel zur Bühne. Dazu brutzelten Würstchen auf dem Grill. EDEKA Lucchese und der benachbarte Tegut-Markt hatten Leckereien aus allen Regionen gestiftet. Sie konnten gegen Lose à 1 Euro gewonnen werden – „Jedes Los gewinnt!“, versprach Volker mit einem Lächeln, das ansteckend wirkte.
Landrat Thomas Will lobte den Kunst-Würfel e.V. als „Ort, an dem Demokratie gelebt wird – ein Ort des Dialogs und der Diskussion.“ Solche Veranstaltungen seien „wichtige Erinnerungen daran, welchen Wert Freiheit und Demokratie haben.“
Professor Dr. Wolfgang Schneider, Erster Beigeordneter von Bischofsheim, entführte die Besucher anschließend in die deutsche Literaturgeschichte. Mit Gedichten von Heine, Freiligrath, Schneckenburger und Stolze spannte er einen poetischen Bogen von der Romantik bis zur Reichsgründung. Seine Anekdote über das Niederwalddenkmal und die „Germania“ machte Geschichte greifbar – als Mahnung und Denkmal zugleich.
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Erinnerungen an die Mauer
Besonders ergreifend war der Beitrag von Zeitzeuge Dieter Metz. „Schön, dass wir heute den Tag der Deutschen Einheit feiern – schade, dass dem eine Trennung vorausgeht“, begann er mit leiser Stimme. Er sprach von Grenzmarkierungen und Stacheldraht, von Wachtürmen, Selbstschussanlagen und Patrouillen. Als Kind habe er noch lachend Kaugummis von Soldaten gefangen – bis Mauern gebaut wurden.
Seine Schilderung einer Flucht, bei der ein Bauer seine Familie in einem Jauchefass über die Grenze brachte, rührte viele Zuhörer. „Die Familie gründete später im Westen eine Heizungsbaufirma – sie hat es geschafft“, sagte Dieter Metz. Ein Moment, in dem die Stille greifbar wurde.
Reibung als Wärme – Kunst als Brücke
Einen poetischen Glanzpunkt setzte Tina Lürtzing mit ihrem eigens für den Tag entstandenen Text „Einheit“. Darin beschrieb sie, wie Reibung zwischen Menschen nicht Trennung bedeuten muss, sondern Bewegung – ein Tanz aus Meinungsverschiedenheit und Respekt. „Einigkeit heißt nicht Gleichschritt“, sagte sie. „Einigkeit heißt, den Takt des anderen anzuerkennen – und trotzdem den Rhythmus zu finden, der uns bewegt.“
Mauern, die verbinden
So wurde der Tag der Deutschen Einheit im Kunst-Würfel zu einem Fest der offenen Mauern: jene aus Beton, die Kunst tragen, und jene unsichtbaren, die im Dialog fallen dürfen. Zwischen Grillduft, Musik und bewegenden Worten entstand ein Raum, in dem Geschichte, Gegenwart und Zukunft miteinander ins Gespräch kamen – ganz im Sinne dessen, was Volker Hartmann zum Auftakt sagte: „Wir bauen Mauern ab – und schaffen Räume für Begegnung.“
Axel S.
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