„Keine Startbahn West“ in den Burg-Lichtspielen

Für den Filmemacher Professor Dr. Wolfgang Schneider sind die Themenfelder Atomausbau, Aufrüstung und alternative Lebensmodelle Ausdruck der in den 1970er und 1980er Jahren aufkommenden politischen Bewegungen. Dies wird auch in der Film-Dokumentation „Keine Startbahn West – Eine Region wehrt sich“ aus dem Jahr 1982 deutlich. In dem 115-minütigen Film werden in sechs Kapiteln die Entwicklung des Planungsverfahrens Startbahn 18 aufgezeigt. Ein packendes und beklemmendes Zeitdokument, das am 16. November zum Kinobesuch in die Burg-Lichtspiele bewegte. 

 

Es ist mucksmäuschenstill im Kino, eine angenehme Wärme wird ausgestrahlt, die die gegen die Erweiterung des Flughafens Frankfurt protestierenden Menschen im Freien vermissten. Bei Regen und Schnee sind die Startbahn-Gegner am Zaun. Über 100 000 Menschen werden vermeldet, die anfänglich friedlich gegen das Vorhaben protestieren. Ohne Gewalt oder tätliche Übergriffe, meist mit dem Versuch verbunden, gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten ins Gespräch zu gehen und als freie Bürger gegen die Rodung von Wald zu agieren. Der Film reflektiert maßgeblich die Vorgeschichte des von der Fraport eingeleiteten Planungsverfahrens, das luftfahrttechnisch als Runway 18/36 bezeichnet wird.

 

Ein Vorhaben, mit dem viele Fluggäste schneller die angestrebten Urlaubsziele erreichen können. Eine 4 000 Meter lange reine Startbahn im westlichen Teil des Flughafens Frankfurt. Der größte Teil betrifft aber den südlichen Bereich im Raum Rüsselsheim. 1962 wird der Auftrag erteilt, diese Startbahn zu bauen. Im Film dokumentieren Bürgerinnen und Bürger ihren Protest gegen eine zunehmende Lärmbelästigung. Interessant ist, dass jetzt vermehrt konservative Einheimische mit den jungen Protestlern die gleiche Sprache sprechen. Verständnis für die vermeintlichen „langhaarigen Studenten und Gammler“, die anscheinend nicht „nur rumstehen und diskutieren“, sondern Transparente als Schutzschilder hochhalten und manche sogar eine gewagte Baumleiter anbringen. 

Gegen die Startbahn West protestiert auch der damalige Landrat vom Kreis Groß-Gerau, Willi Blodt. Im hessischen Landtag gibt es Veränderungen. Holger Börner wird zunächst als Nachfolger des in die Schlagzeilen geratenen und dann zurückgetretenen Albert Osswald gefeiert. Die Hoffnung, dass er sich als SPD-Ministerpräsident in einer Koalition mit der FDP für ökologische Belange einsetzen möge, zerplatzen. Die Unruhen nehmen zu, auch die Gewaltbereitschaft. Alle Volksbegehren scheitern, bitter, aber wahr. Die FAG könnte 1984 mit einer großen Einweihungsfeier die Startbahn in Betrieb setzen. Verzichtet aber darauf, denn die jahrelangen Proteste haben genug Wirbel in der Presse-landschaft verursacht. Viele Fragen werden im Anschluss an den Film an Schneider gerichtet, und dieser  gibt  im Gespräch mit dieser Zeitung zu, dass er als Filmemacher zuweilen den massiven Einsatz der Polizei gespürt habe.

Norbert Fluhr



24.11.2022