Beide haben Bischofsheimer Wurzeln, er im Alten Gerauer Weg, sie in der Weisenauer Gasse, beide haben ihre Kindheit unter dem Hakenkreuz erlebt und den Zweiten Weltkrieg überlebt. Und beide feierten in den ersten Jahren danach Kerb, tanzten im Saalbau in der Bahnhofstraße und heirateten 1948 in der Evangelischen Kirche: Heinz und Annemarie Trommer, geborene Höling. Am ersten Weihnachtstag begehen sie das seltene Jubiläum der „Kronjuwelenhochzeit“ in ihrem Haus an der Schillereiche in Rüsselsheim.
Dort sitzen wir am schweren Eichentisch, sie mit 92 nicht mehr so gut auf den Beinen, aber hellwach, wenn es ums kommentieren ihrer Geschichte geht, gerne auch mit abwinkenden Handbewegungen. Er im 94. Lebensjahr nur noch mit geringer Sehkraft, aber mit vielen Geschichten aus seiner Zeit bei der Oma, bei der Bahn oder im Gesangverein. Mit dabei der zweite Sohn Christian, geboren 1961 in der Freiligrath-Straße. Und wegen des Erstgeborenen, Reinhard erblickte im Mai 1949 das Licht der Welt, „musste“ das junge Paar heiraten, standesamtlich am 24.12.1948, beurkundet vom damaligen Bürgermeister Karl Graf. Ein Tag später gabs den Segen von Pfarrer Friedrich Heddäeus in der Evangelischen Kirche.
Erinnerungen an jüdische Mitbürger
„Jede freie Zeit, vor allem in den Schulferien, verbrachte ich bei der Großmutter in Bischofsheim“, beginnt Heinz Trommer seine biografischen Erinnerungen. Trotz junger Jahre weiß er etwas aus der Nazizeit zu erzählen. Von der „Bücherverbrennung“ auf dem Rüsselsheimer Marktplatz, vom Wäschekauf der Mutter bei einem jüdischen Textilhändler, „der dann plötzlich nicht mehr kam“, vom Großvater einer Schulkameradin, der nur mit einem gelben Stern auf der Jacke das Haus verlassen durfte.
Nach kurzer Gefangenschaft kehrte für Heinz Trommer das eher unbeschwerte Leben zurück. Und man traf sich regelmäßig im Club „Lonny Sonja“ beim Schad in der Untergasse. Ein amerikanischer Offizier dozierte über Demokratie und „brachte auch mal ein Fass Bier“ mit. Hier hat es sich offensichtlich um eine eher populärere Form der alliierten „Re-Education“ gehandelt; zumal auch das Mitmachen bei den Kerweborsch als pädagogische Maßnahme zur „Entnazifizierung“ dienen sollte.
Arbeit bei der Bahn und Reisen in der Freizeit
Die kleine Familie zog nach Rüsselsheim über die Gaststätte Rosenhöhe und zahlte monatlich 25 DM Miete. Die Frau blieb zu Hause, „erzog die Buben, hat gebügelt und genäht“, der Mann machte Karriere bei der Bundesbahn. Mit oder ohne Kinder und alljährlich mit dem Jahrgang reiste das Ehepaar durch die Welt.
Die Feier zur „Kronjuwelenhochzeit“ ist für den „engsten Familienkreis“ geplant. Von Sohn Christian wurde mir schon ein wenig Einblick gewährt, in eine digitale Präsentation von Fotos und Filmen aus 75 Jahren Ehe. Ich wünsche viel Vergnügen, vor allem Gesundheit und gratuliere dem Jubelpaar herzlich.
Prof. Dr. Wolfgang Schneider
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