Wohnen in der Mainspitze

Julia hat den Überblick: So wohnt es sich im Dachgeschoss des Ginsheimer Hochhauses

Für diese Aussicht könnte Julia Molter Eintritt verlangen: Die Laubenheimer Höhe, der Mainzer Dom, der Taunus, die Hochheimer Kirche, die Frankfurter Skyline, Bauschheim, Trebur und vieles mehr sieht man von ihrer 270 Grad Dachterrasse. Julia – vielen als eine der Administratoren der Facebook-Gruppe GiGu bekannt – wohnt in der Penthousewohnung des Hochhauses in Ginsheim, nutzt ihren besonderen Blick auf die Mainspitze gerne zum Entspannen und gilt sogar als Staupilotin, denn auch die Autobahnen und Landstraßen rund um Ginsheim, Gustavsburg und Bischofsheim hat sie bestens im Blick.

 

„Die Sicht ist super – heute können wir sogar Schwäne auf dem Silbersee beobachten“, sagte Julia, als ich sie am Silvestermorgen für dieses Interview besuchte. Allein der Weg durch ihre Wohnung auf die Dachterrasse genügte, um zu erkennen, was Julia wichtig ist: Sie liebt das Zubereiten von Essen, hat großen Respekt vor der Natur und ist der größte Peter Maffay-Fan, den ich kenne. Viel Spaß mit diesem Bericht über die außergewöhnliche Wohnsituation im 14. Stock.

 

 

„Obwohl hier zahlreiche Mobilfunkmasten auf dem Dach stehen, habe ich in der Küche keinen Empfang“, witzelt Julia Molter, während sie beim Laufen über ihren Rundum-Balkon kritisch ihre Verspannungen prüft. „Damit bei einem Sturm nichts passiert, sichere ich Accessoires, wie Stühle und Tische immer mit Seilen“. Auch wenn das nach Umständen klingt, überwiegen für Julia eindeutig die positiven Seiten ihrer Wohnung. Sie liebt das Freiheitsgefühl, genießt sommerliche Frühstücke auf der Terrasse und freut sich im Winter täglich auf ihren schön beleuchteten Außenbereich. Strom kostet sie die Terrassenbeleuchtung übrigens nicht, denn sie installierte ausschließlich Solarlampen. 

Neben Licht und Sitzgelegenheiten macht es sich Julia mit Pflanzen gemütlich, die zum einen attraktiv aussehen und zum anderen nützlich sind. „Mein kleiner Kräutergarten umfasst Schnittlauch, Petersilie, Rosmarien, Basilikum und Minze. Zudem pflanze ich noch Tomaten, habe einen Strauch mit leckeren Brombeeren und einen Olivenbaum“, erzählt Julia, die ihre Erzeugnisse gerne höchstpersönlich in der Küche zu Gerichten verarbeitet. Neben Freunden und Familie erhält Julia häufig Besuch von Vögeln und Insekten. „Ich stelle Vogelfutter und eine Tränke auf, damit meine fliegenden Besucher versorgt sind. Ich mag es, wenn sich die Stare »unterhalten« und singen. Greifvögel halten von hier oben Ausschau nach ihrer Beute und einmal nisteten hier draußen sogar Rotkehlchen. Im Sommer wimmelt es zudem von Hummeln, Wespen und Bienen. Schnaken kommen aber selten“, so Julia, die sich dafür einsetzt Lebensraum für Tiere zu erhalten und zu schaffen. Auch bei ihrer großen Leidenschaft, dem Stand Up Paddeln (siehe Ausgabe 36 vom 03.06.2021) steht der Respekt vor der Um- und Tierwelt für sie an erster Stelle. So ruft die 34-jährige aktiv dazu auf, beim Wassersport das Leben von Schwänen und Co. zu schützen und sich – wenn überhaupt – nur langsam zu nähern. 

„Bei manchen Flugzeugen könnte ich die Reifen wechseln!“

Geduld braucht Julia Molter manchmal, um in ihre Wohnung zu gelangen. Das Ginsheimer Hochhaus verfügt nämlich nur über einen Aufzug, der manchmal überlastet und in seltenen Fällen außer Betrieb ist. „Zu Fuß braucht man fünf bis sieben Minuten. Ohne Taschen ist das in Ordnung, aber mit Gepäck nehme ich eigentlich immer den Aufzug“, so Julia Molter. Den Fluglärm empfindet sie übrigens als nicht störend. Gerade wenn historische Maschinen von Mainz-Finthen über Ginsheim fliegen, freut sich Julia sogar: „Bei einer »Junkers Ju 52« sind die Räder so nah, da könnte ich im Flug die Reifen wechseln“. Geräusche, die sie hingegen stark wahrnimmt, kommen aus Richtung Rhein. Hier spürt Julia die Vibration von Schiffen, was sie aber grundlegend in Ordnung findet. „Neben einen Spielplatz ziehen und sich dann über lachende, spielende Kinder aufzuregen ist nicht mein Ding“, sagt sie.

Auch wenn der Innenbereich von Julias Wohnung im direkten Vergleich zu ihrer 270 Grad Dachterrasse auf den ersten Blick eher normal anmutet, gibt es auf den zweiten Blick besondere Hingucker: Zum einen wird deutlich, dass Julia mit Werkzeug, Pinsel und Farbe umgehen kann, zum anderen dekorierte sie ihren Lebensraum mit handsignierten Schallplatten und Fotos von und mit Peter Maffay. Sogar ein Plektrum (Blättchen mit dem Saiteninstrumente gespielt werden können) von ihm befindet sich in ihrem Besitz. „Ich liebe seine Musik und durfte ihn schon mehrfach persönlich treffen“, freut sich Julia, die sicher auch zu einem Besuch von Peter Maffay auf der Terrasse ihrer Penthousewohnung nicht nein sagen würde. Und auch der Sänger käme sicherlich auf seine Kosten, denn aus dieser Perspektive hat er – wie viele Menschen der Mainspitze – das Rhein-Main-Gebiet sicher noch nicht gesehen.

Axel S.


In der Serie »Wohnen in der Mainspitze« stellen wir Menschen aus Ginsheim, Gustavsburg und Bischofsheim vor, die in besonderen Behausungen oder an exponierten Orten leben.

Bitte helft uns dabei, die Vielfalt von Wohnsituationen in der Mainspitze zu erforschen und darzustellen. Dabei muss die Wohnstätte nicht unbedingt historisch oder aus einem besondern Baumaterial sein. Vielleicht habt ihr aus einem eurer Fenster einen besonderen Ausblick? … oder euer Schrebergarten ist so liebevoll gestaltet, dass ihr dort euren Sommerurlaub verbringt? All das – und vieles mehr – interessiert uns. Wenn ihr eure Geschichte erzählen wollt, meldet euch gerne unter redaktion@neuesausdermainspitze.de.




06.01.2022